Der Darm – das zweite Gehirn
Wir alle verstehen, dass Menschen ein Gehirn haben, das aus zwei Hälften besteht und nahezu alle Körperfunktionen steuert. Der Darm ist hingegen nicht so leicht zu verstehen. Sein Aufbau und seine Funktionen sind den meisten Menschen unbekannt. Interessierst du dich näher für den Darm und das Verdauungssystem, kannst du in unserer Fernausbildung einiges darüber lernen. Wusstest du zum Beispiel, dass der Darm und das Gehirn das gleiche Kommunikationsnetzwerk nutzen und zwar das Nervensystem? Eine Entwicklungsgeschichte, die beide miteinander verbindet:
Lange bevor die ersten Lebewesen das Gehirn im Kopf entwickelten, gab es ein Gebilde voller Nervenzellen, das frühe Verdauungssystem. Hieraus entwickelte sich das enterische Nervensystem oder Bauch-/Darmhirn. Dieses komplexe Geflecht umfasst über 100 Millionen Nervenzellen (Neuronen) und ist damit grösser als das Nervensystem des Rückenmarks. Wenn der Darm ausschliesslich für die Nahrungsaufnahme und -verarbeitung bestimmt wäre, würde er dann aus unzähligen spezialisierten Zellen bestehen? Wohl kaum.
Das autonome enterische Nervensystem (ENS, Darmhirn) leistet viel mehr als nur die Verdauung. Es ist ebenfalls eines der Nervensysteme, die Körperfunktionen steuern. Das ENS ist ähnlich komplex wie das eigentliche Gehirn. Gleichzeitig verfügt es über zahlreiche Nervenzellen. Dank diesen Eigenschaften nennen Mediziner es häufig „zweites Gehirn“. Dieses bildet sich wie auch das eigentliche Gehirn lange vor der Geburt aus, noch während sich ein Embryo entwickelt. Ein Teil des Gewebes, welches für die Steuerung der Nervenentstehung verantwortlich ist, lagert sich an das zukünftige Gehirn und Rückenmark an. Daraus entsteht das Zentrale Nervensystem (ZNS). Ein weiterer Teil desselben Gewebes wandert indes in den Magen-Darm-Trakt und entwickelt sich dort zum „zweiten Gehirn“.
Das Darmhirn kann zudem als Teil des vegetativen Nervensystems betrachtet werden. Das vegetative Nervensystem regelt die Abläufe im Körper, die du nicht durch deinen Willen steuern kannst. Dazu gehören lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Stoffwechsel/Verdauung und Herzschlag. Darüber hinaus fungiert das vegetative Nervensystem als Vermittler zwischen den Organen und Körperfunktionen sowie dem ZNS. Autonom ist das Darmhirn übrigens, weil es das eigentliche Gehirn für die Verdauung nicht benötigt. Ab dem Moment, in dem du Nahrung zu dir nimmst, übernimmt das Darmhirn in Eigenregie.
So kommunizieren Darm und Gehirn
Nichtsdestotrotz kommunizieren Darm und Gehirn ständig miteinander. Das müssen sie zuweilen sogar, um uns am Leben zu erhalten. Verbunden sind die beiden Schaltzentralen über mikrobielle Stoffwechselprodukte, Botenstoffe und Nervenstränge, vor allem aber über den Vagusnerv [1]. Dieser arbeitet mit vielen anderen Nerven zusammen. Bekannt ist dieses Kommunikationssystem als sogenannte Darm-Hirn-Achse. Den Vagusnerv kannst du als einzigartige Datenverbindung betrachten. Er ist Teil des Parasympathikus, eines der zwei Teilstücke des vegetativen Nervensystems. Da der Vagusnerv dem Hirnstamm entspringt und nicht dem Rückenmark, wird er oft Hirnnerv genannt. Interessanterweise werden etwa 90 Prozent aller Informationen von unten nach oben geleitet. Deutlich spüren wir die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn zum Beispiel dann, wenn wir etwas Verdorbenes essen. In dem Fall lösen Darmhirn und Gehirn gemeinsam Durchfall und/oder Erbrechen aus. Darüber hinaus erleben wir die Kommunikation auch dann bewusst, wenn wir uns wohl oder unwohl fühlen sowie bei Entscheidungen. Etwa, wenn wir uns aussuchen, was wir essen und trinken möchten. Aber auch dann, wenn es darum geht, mit welchen Menschen wir unsere Zeit verbringen. Oder dann, wenn wir Informationen (z. B. im Job) bewerten müssen. Man könnte sagen, der Darm denkt mit [2].
Neben dem Vagusnerv spielen die Botenstoffe eine wichtige Rolle bei der Kommunikation auf der Darm-Hirn-Achse. Diese werden zum Beispiel über die Blutbahn transportiert. Insgesamt produziert und reguliert der Darm etwa 40 Nervenbotenstoffe. Ist der Darm aufgrund einer Entzündung gereizt, wird diese Botschaft an das Gehirn weitergeleitet. Anschliessend kann das Immunsystem aktiviert werden. Umgekehrt meldet das Gehirn dem Darmhirn Stress. Das passiert durch das zweite Teilstück des vegetativen Nervensystems: den Sympathikus bzw. Stressnerv [3]. Dieser entspringt dem Rückenmark, wo es überwiegend um Reflexe geht, nicht um Reflexion. Das bedeutet, dass der Sympathikus vor allem auf äussere Reize reagiert. Von einem schreienden Kind bis zum Geräusch eines Schusses oder dem Geruch von Rauch kann das alles sein.
Durch Stress kann es dann zu Darmbeschwerden kommen und damit zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems. Tatsächlich befinden sich nämlich die meisten Immunzellen im Darm [4]. Wenn du mehr über die Zusammenhänge des Immunsystems und Stress erfahren möchtest, lohnt sich das Fernstudium zum ganzheitlichen Ernährungsberater gleich doppelt. In den 6 Modulen wird nicht nur darauf, sondern auch auf viele andere spannende Themen eingegangen.
Der Darm und die Psyche – wie Serotonin durch die Stimulation bestimmter Darmbakterien angeregt wird
In erster Linie analysiert das Bauchhirn die zugeführte Nahrung auf ihre Nährstoffzusammensetzung, den Wasseranteil und den Salzgehalt. Es koordiniert, was der Körper letztendlich absorbiert und was er ausscheidet. Eine weitere Komponente des Darmhirns ist die Darmflora. Sowohl das Gehirn als auch das Darmhirn sprechen dabei dieselbe Sprache. Zu den Botenstoffen, über die sie kommunizieren, gehören die Neurotransmitter Acetylcholin und GABA sowie die Glückshormone Dopamin und Serotonin. Serotonin ist ein Signalmolekül, das für die Darm-Hirn-Achse wichtig ist. Zum einen koordiniert es die Kontraktionen, mit der die Nahrung durch den Verdauungskanal befördert wird. So wird eine gesunde Darmfunktion garantiert. Zum anderen wird es für lebenswichtige Funktionen benötigt, darunter Appetit, Schlaf, Schmerzempfindung und das allgemeine Wohlbefinden. Gewissermassen ist der Darm das grösste Vorratslager unseres Körpers. So sind etwa 95 Prozent des körpereigenen Serotonins hier produziert und gespeichert. Über den Vagusnerv kann das Glückshormon dann unser Gefühlszentrum im Gehirn beeinflussen. Dort, im limbischen System, ist Serotonin an unserer Stimmung beteiligt.
Bestimmte Darmbakterien können die Serotonin-Produktion anregen. Dazu gehört das Darmbakterium Bifidobacterium infantis, das an der Produktion des Hormons Serotonin beteiligt ist. Andere Mikroben regen indes die Zellen in der Darmwand dazu an, dieses Glückshormon zu produzieren. Fehlen welche von diesen Darmbakterien oder sind zu wenige im Darm vorhanden, sinkt unser Serotoninspiegel. Daraufhin fühlen wir uns eher deprimiert [5].
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Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es über die Darm-Hirn-Verbindung bereits
Die besondere Verbindung zwischen Darm und Gehirn zu erkunden und zu verstehen, treibt zahlreiche Wissenschaftler auf der ganzen Welt an. Während man früher dachte, dass der Darm ausschliesslich für die Verdauung zuständig ist, weiss man heute schon wesentlich mehr.
Zahlreiche Studien belegen die Darm-Hirn-Verbindung. Darunter die Studie „Indigenous Bacteria from the Gut Microbiota Regulate Host Serotonin Biosynthesis” [6] (auf Deutsch „Einheimische Bakterien aus dem Darmmikribiom regulieren die Serotonin-Biosynthese des Wirts“), die im April 2015 von mehreren Autoren veröffentlicht wurde. Die darin enthaltenen Daten zeigen, dass die Serotoninproduktion der Zellen in der Dickdarmwand von bestimmten Metaboliten unterstützt wird. Zudem beweist die Studie, dass Darmbakterien mit Neuronen kommunizieren können, indem sie auf den Neurotransmitterspiegel Einfluss nehmen.
Die Durchführung der vielleicht bekanntesten menschlichen Studie fand an der University of California in Los Angeles statt. Hier haben 12 von 25 gesunden Frauen vier Wochen lang zweimal täglich einen Becher Joghurt gegessen. Die anderen 13 Frauen verzichteten darauf. Joghurt enthält verschiedene lebende, nützliche Bakterienstämme. Bei den Probandinnen wurden bereits vor der Studie mithilfe von Gehirn-Scans Emotionen wie Trauer, Wut und Glück gemessen. Nach der Studie wurde diese Messung wiederholt. Es stellte sich heraus, dass die Gruppe, die den Joghurt konsumierte, durchweg positivere Emotionen zeigte [7].
In einer weiteren Studie [8] von November 2020 wurde ebenfalls eine interessante Entdeckung gemacht: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und zentralen Entzündungsherden im ZNS bei Multipler Sklerose (MS). Bei MS handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das eigene Immunsystem das Nervensystem angreift. Ein internationales Forschungsteam identifizierte diesbezüglich eine Darm-Hirn-Achse, bei der bestimmte Klassen von Immunzellen wichtig sind. Dank dieser Entdeckung könnten neue Therapien gegen MS erfunden werden, bei denen die Darmflora im Mittelpunkt steht. Schon frühere Studien bewiesen, dass die Zusammensetzung der Darmflora bei MS relevant ist.
Wieder eine andere Studie [9] zeigt, dass eine bidirektionale Wechselwirkung zwischen Darmmikrobiota und dem Gehirn existiert. Laut dieser Studie kann die Wechselwirkung zwischen Darmflora und Gehirn bei grundlegenden neurodegenerativen Prozessen Auswirkungen haben. Das gilt auch bei neurodegenerativen Erkrankungen und Tumoren des ZNS. Das bedeutet, dass die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn bei neurologischen Erkrankungen demnach fehlreguliert sein kann. Das passiert zum Beispiel aufgrund von einer unzureichenden Nährstoffaufnahme. Welche Nährstoffe die Darm-Hirn-Verbindung positiv beeinflussen können, lernst du ebenfalls in unserem Fernstudium zum Ernährungsberater.
Beispiel: Das passiert bei psychischem Stress mit der Verdauung
Stressfaktoren können die Darmtätigkeit unmittelbar beeinflussen. Befindest du dich in einer belastenden Situation, finden Verdauungsprozesse automatisch nur noch reduziert statt. Warum? Nun, dass wir in Stresssituationen mit Appetitlosigkeit oder Verdauungsbeschwerden reagieren, liegt an der Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin. Was folgt, sind beispielsweise eine erhöhte Herz- und Atemfrequenz. Auf eine potenziell bedrohliche Situation reagiert nämlich der Sympathikus. Er sorgt für eine Kampf- oder Fluchtreaktion. Cortisol wird freigesetzt, um den Körper auf die Bedrohung vorzubereiten und wachsam zu bleiben. Bei unseren Vorfahren war die Stressreaktion durchaus nützlich, denn damals kam es oft zu Kämpfen oder bedrohlichen Situationen. Heute passiert das eher selten.
Die Reaktion bei psychischem Stress hat sich jedoch nicht verändert. Und die dafür benötigten Energiereserven werden dem Magen-Darm-Trakt entzogen. Folglich reduzieren sich die normalen Tätigkeiten des Verdauungssystems. Es kann zu einer Reihe von gastrointestinalen Problemen wie Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Krämpfe, Durchfall, Verstopfungen und/oder Erbrechen kommen. In schwerwiegenden Fällen kann Stress sogar eine Abnahme des Sauerstoffs und der Durchblutung im Magen begünstigen. Wenn jemand bereits an diversen Darmerkrankungen leidet, kann Stress diese verschlimmern.
Dazu gehören:
- Entzündliche Darmerkrankungen
- Reizdarmsyndrom [10]
- Zöliakie
Was hier hilft, ist ein angemessenes Stressmanagement und die richtige Ernährung. Wie du und deine Mitmenschen mit Stress umgehen können, lernst du im Modul 6 der Fernausbildung zum Ernährungsberater bzw. ganzheitlichen Gesundheitsberater. Darüber hinaus werden hier Themen wie eine entzündungshemmende Ernährung sowie die optimale Ernährung in verschiedenen Lebensphasen behandelt. Als Ernährungsprofi kannst du die Gesundheit des Darms positiv beeinflussen und damit die Balance der Darm-Hirn-Achse erhalten. Ist im Darm alles gut, wird dieser Zustand an dein Gehirn gesendet. Davon profitieren Psyche und das gesamte Wohlbefinden. Für mehr Infos schaue dir gerne unsere Infobroschüre an oder kontaktiere uns einfach. Höre auf dein Bauchgefühl. Wir freuen uns auf dich!