Was ist Stress eigentlich genau?
Mit einem Mal ist man «voll da»: Der Herzschlag beschleunigt sich, der Puls steigt, die Atemfrequenz erhöht sich, die Muskeln spannen sich an. Man fühlt sich hellwach und könnte, wenn man denn müsste, sofort lossprinten, fliehen oder kämpfen. Stress ist und war eine überlebenswichtige Reaktion des Körpers, wenn volle Leistungsbereitschaft gefordert ist, also auch in gefährlichen, bedrohlichen Situationen oder vor Prüfungen.
Dafür sorgen die sogenannten Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin, die im Zeichen der Gefahr innerhalb weniger Sekunden ausgeschüttet werden. Dafür verantwortlich ist der Hypothalamus, ein Bereich im Zwischenhirn, der das Signal an die Hirnanhangsdrüse weiterreicht, die wiederum die Nebennieren aktiviert, vermehrt Stresshormone zu produzieren und auszuschütten.
Doch die typische Stresssituation, wie sie unsere Vorfahren noch angesichts gefährlicher, wilder Tiere oder in Kampfsituationen kannten, ist bei uns eher selten geworden. Stattdessen geraten wir in schwierigen Situationen durch die hohen Anforderungen an uns unter Stress – im Beruf, aber auch im Privatleben. Dabei unterscheiden wir zwischen situativem Stress, etwa die Aufregung kurz vor einem Vortrag, oder chronischem Stress, bei dem man unter dauerhafter Überlastung leidet.
Auch wenn uns heute nicht mehr der Säbelzahntiger auflauert, sind die akuten Stresssymptome doch nach wie vor dieselben:
- Steigender Blutdruck
- Beschleunigter Plus
- Angespannte Muskeln
- Ausschüttung von Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin.
Die Symptome von Stress sind wichtig und manchmal auch heute noch überlebenswichtig – im Grunde handelt es sich dabei um eine völlig normale Anpassung unseres Körpers an eine bedrohliche Situation. Wir sind kurzfristig wesentlich leistungsfähiger, sodass wir bessere Chancen haben, einer (lebens-)bedrohlichen Situation zu entkommen. Kurzfristig ist das auch völlig in Ordnung. Aber langfristig schadet Stress Körper und Geist.
Stresssymptome: Folgen von chronischem Stress
Chronischer Stress hat zahlreiche negative Auswirkungen auf unser körperliches, soziales und geistiges Wohlbefinden. Welche das sind, ist von Mensch zu Mensch verschieden.
Häufige Stresssymptome sind:
- Übergewicht
- Zunahme des Körperfettanteils, vor allem am Bauch
- Stoffwechselstörungen
- Diabetes mellitus Typ 2
- Eingeschränkte Leistungsfähigkeit
- Konzentrationsstörungen
- Magen-Darm-Störungen
- Magenschmerzen
- Reizdarm
- Schlafstörungen
- Depressionen
- Hörsturz und Tinnitus
- Kopfschmerzen und Migräne
- Rückenschmerzen
- Zu hoher oder zu niedriger Blutdruck
- Verminderte Libido
- Erektionsstörungen
- Zyklusstörungen bei der Frau
- Unfruchtbarkeit
- Kreislaufstörungen
- Herzbeschwerden
- Entwicklung bösartiger Erkrankungen
Erhöhte Leberwerte durch Stress?
Obwohl erhöhte Leberwerte meist in Verbindung mit Alkohol genannt werden, gibt es noch viele andere Ursachen dafür – eine davon ist tatsächlich Stress. Chronischer Stress belastet den Körper auf vielfältige Weise. Unter anderem bilden sich vermehrt entzündungsfördernde Substanzen, schädliche Stoffe, die durch die Leber wieder abgebaut werden müssen. Forscher fanden zudem heraus, dass Cortisol die Bildung eines für den Abbau von Speicherfett in der Leber wichtigen Enzyms bremst. Je mehr Cortisol vorhanden ist, desto mehr Fett wird in der Leber gespeichert – ganz unabhängig von der Ernährung.
Zwar verfügt die Leber über eine hohe Regenerationsbereitschaft, doch die andauernde Überlastung kann zu erhöhten Leberwerten führen. Da unser grösstes Entgiftungsorgan durchaus über eine gewisse Leidensfähigkeit verfügt, bemerkt man es selbst nicht oder nur an subtilen Signalen. Müdigkeit und schnelle Erschöpfung können beispielsweise auf eine überlastete Leber hinweisen.
Stress als Dauerzustand
Viele Menschen leiden heute tagtäglich unter Stress – obwohl sie sich streng genommen gar nicht in einer belastenden Situation befinden. Doch es muss gar nicht die Wohnungsrenovierung nach Feierabend und am Wochenende sein, die uns phasenweise stresst. Der Lebensstil hat damit eine ganze Menge zu tun.
Das beginnt oft schon morgens, wenn man früh aufstehen muss, obwohl man eigentlich noch weiterschlafen möchte. Aber es nützt alles nichts – die Arbeit ruft. Der Weg ins Büro ist häufig auch nicht gerade ein Quelle der Gelassenheit und Freude: Überfüllte Bahnen, verstopfte Strassen, der nächste Stau und zwischendurch immer wieder der Blick auf die Uhr, schliesslich möchte man nicht zu spät zur Arbeit erscheinen. Nach einem langen Arbeitstag das gleiche Spiel zurück. Und dann muss man ja noch einkaufen. Und die Wohnung sauberhalten. Für Sport oder entspannende Freizeitaktivitäten ist man im Alltag häufig zu müde.
Den normalen Alltag empfinden immer mehr Menschen als stressig. Die Folge: Ihr Cortisolspiegel steigt. Das Hormon ist ein wichtiger Regulator, der uns dabei hilft, bedrohliche Situationen – für uns ist das heute der Stress – zu überstehen. Doch Cortisol hat auch zahlreiche Nebenwirkungen.
Cortisol: Ein Übermass bei chronischem Stress kann schaden
Das Hormon Cortisol ist an zahlreichen Stoffwechselprozessen im Körper beteiligt. Es agiert zudem als natürlicher Gegenspieler des Hormons Insulin und trägt dadurch zur Regulierung des Blutzuckerspiegels bei. Als natürlicher Entzündungshemmer spielt Cortisol ausserdem eine wichtige Rolle bei der Abwehr: Es bremst überschiessende Reaktionen des Immunsystems aus und sorgt so unter anderem dafür, dass sich Entzündungen nicht zu stark ausbreiten.
Cortisol wird nachts in der Nebennierenrinde «auf Vorrat» gebildet, um dem Körper ab dem Morgen ununterbrochen zur Verfügung zu stehen. So haben wir oft auch am Vormittag das Hoch unserer täglichen Leistungskurve, die im Laufe des Tages kontinuierlich abfällt – das ist ganz natürlich.
Eine weitere wichtige Aufgabe des Botenstoffs ist die Anpassung des Körpers auf äusserliche Reize wie zum Beispiel Stresssituationen. Dann wird es vermehrt ausgeschüttet und sorgt dafür, dass wir sehr leistungsfähig sind.
Sobald wir aber chronisch unter Anspannung stehen, wird Cortisol dauerhaft in viel zu grossen Mengen gebildet und ausgeschüttet. Das kann langfristig zu den typischen chronischen Stresssymptomen führen.
Chronischer Stress schwächt das Immunsystem
Situativer, kurzer Stress nützt uns und stärkt sogar das Immunsystem: Der Körper macht sich auf mögliche Verletzungen und grosse körperliche Anstrengungen gefasst, dadurch steigt die Anzahl der Abwehrzellen unseres unspezifischen Immunsystems. Vor allem die Zahl der sogenannten Fresszellen, die Erreger in sich einschliessen und dadurch unschädlich machen, sowie der Anteil der weissen Blutkörperchen (Leukozyten), steigen. Dauerhafter Stress dagegen schwächt die Abwehrzellen des spezifischen und unspezifischen Immunsystems.
Beim chronischen Stress ist es also genau andersherum: Dauergestresste werden schneller krank. Das könnte möglicherweise am erhöhten Cortisolspiegel liegen. Forscher fanden heraus, dass bei ihnen zwar genau wie bei nicht gestressten Menschen der Cortisolspiegel als Immunantwort anstieg, aber die Zahl bestimmter Abwehrzellen wie der Leukozyten nicht. Die Körperzellen reagieren also nicht mehr im normalen Umfang auf das Cortisol, sie werden cortisolresistent.
Burnout-Syndrom: Symptom unserer hektischen Zeit
Auf Deutsch bedeutet «to burn out»: ausbrennen. Was einst als Modebegriff für Depressionen verkannt wurde, ist mittlerweile anerkanntes Symptom von Menschen, die sich im Beruf so stark engagieren, dass sie sich irgendwann ausgebrannt, erschöpft, einfach innerlich leer fühlen. Besonders betroffen sind Menschen, die beruflich mit anderen Menschen arbeiten.
Die Symptome des Burnout-Syndroms entwickeln sich oft über Jahre. Anfangs treten erste Stress-Anzeichen wie Müdigkeit und Erschöpfung auf, gleichzeitig sind betroffene Menschen sehr engagiert und ehrgeizig in ihrem Beruf, möchten am liebsten alles selbst erledigen. Das Engagement steigert sich im Laufe der Zeit oft noch, es kommt aber schon zu ersten Erschöpfungssymptomen wie innerer Unruhe, unausgeglichenem Wesen, Schlafstörungen und chronischer Müdigkeit. Die Burnoutsymptome steigern sich immer weiter, dazu kommt noch ein latentes Unzufriedenheitsgefühl mit der eigenen Arbeit.
Warum manche Menschen von Burnout betroffen sind, ist nicht geklärt. Vermutlich sind mehrere Faktoren an der Entstehung beteiligt. Häufig spielt das Gefühl mangelnder Anerkennung bei gleichzeitig grossem Arbeitseinsatz eine Rolle, es folgen Resignation und Minderwertigkeitsgefühle und das Gefühl innerer Leere. Man fühlt sich erschöpft und kann sich einfach nicht mehr erholen – irgendwann geht wortwörtlich gar nichts mehr. Dazu kommen noch körperliche Folgen des Burnout-Syndroms, die denen des chronischen Stresses ähneln.
In der heutigen Zeit spielt im Zusammenhang mit Burnout sicher auch die grosse Frage nach dem Sinn des Lebens und damit auch nach dem Sinn des individuellen Beitrags eine wesentliche Rolle. Diese Sinnkrisen können insofern auch als spirituelle Entwicklung des Menschen verstanden werden und demnach als Chance für Veränderungen und Optimierungen der eigenen Lebensweise dienen.
Was tun gegen Stress?
Lesen Sie hier weiter, was Sie selbst gegen Stress und Burnout tun können und wie es Ihnen im Alltag gelingen kann, Stress zu bewältigen.