Zwar sollte mit der Einführung des EU- bzw. deutschen Bio-Siegels Klarheit auf dem unübersichtlichen Markt der Bio-Siegel entstehen, vielen Kritikern gehen diese beiden Label – deren Kriterien vergleichbar sind – nicht weit genug. Darüber hinaus gibt es auch Verbände, die für ganzheitliche Konzepte stehen, die weit über die Anforderungen des staatlichen bzw. europäischen Bio-Labels gehen.
Gleichzeitig geben Bio-Siegel dem Kunden die wichtige Sicherheit, mit dem Produkt auch wirklich (weitgehend) ökologische Qualität in der Hand zu halten, denn die Mindestvoraussetzung für ein Produkt, das sich „Bio“ oder „Öko“ nennen möchte, lautet nach europäischem Recht: Mindestens 95 Prozent der Bestandteile müssen aus biologischem Anbau stammen. Das sind trotz aller Kritik 95 Prozent mehr als bei solchen aus konventioneller Produktion. Die Einhaltung dieser und anderer Kriterien werden mindestens einmal im Jahr geprüft.
In unserem Überblick erfahren Sie die wichtigsten Fakten zu den in Deutschland, Österreich und in der Schweiz gängigen Bio-Siegeln. Wir haben uns auf Grundvoraussetzungen, Prüfung und Zulassung sowie teilweise Tierhaltung beschränkt. Alle ausführlichen Informationen finden Sie bei Interesse auf den Webseiten der jeweiligen Verbände. Diese haben wir verlinkt.
EU-Bio-Siegel
Wo das EU-Bio-Siegel drauf ist, ist auch Bio drin – zum grössten Teil zumindest. Wer das Bio-Siegel der EU tragen möchte, erfüllt zu hundert Prozent die Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 – kurz: EG-Öko-Verordnung. Alle Produkte, die sich in der EU die Begriffe „Bio“ oder „Öko“ auf die Fahnen schreiben möchten, müssen diese Verordnung erfüllen. Unter Bio-Enthusiasten gilt das seit 2012 für ökologische Produkte verpflichtende EU-Bio-Siegel als der kleinste gemeinsame Nenner bei der Erzeugung.
Bio-Produkte, die dieses Label tragen möchten, müssen einige Voraussetzungen erfüllen:
- Mindestens 95 Prozent der Bestandteile müssen aus ökologischem Anbau stammen.
- Nur Zusatzstoffe, die in der Verordnung aufgeführt sind, dürfen verwendet werden.
- Mineralische Stickstoffdünger sind nicht zugelassen.
- Es dürfen keine synthetischen Pestizide oder Herbizide angewendet werden.
- Mehrjährige Fruchtfolge zur Unterstützung der Fruchtbarkeit sollen bevorzugt werden.
- Wildpflanzen aus ländlichen Räumen gelten – sofern sie arterhaltend gesammelt wurden – als ökologisch erzeugt.
- Es darf nur biologisch erzeugtes Saatgut gesät werden.
- Genetisch veränderte Pflanzen sind verboten.
- Futtermittel müssen ökologisch produziert sein.
- Antibiotika und sonstige leistungsfördernde Medikamente sind bei der Tierhaltung verboten.
- Bessere Haltungsbedingungen für Tiere (mehr Auslauf, Mindestanforderungen an Platz, Anbindung zum Teil nicht gestattet).
Zusätzlich zum EU-Bio-Siegel können Produzenten ihre Produkte mit weiteren Bio-Siegeln versehen. Kritiker bemängeln die Vorschriften, die für das EU-Bio-Siegel erfüllt sein müssen, als zu lasch. Es seien noch zu viele Zusatzstoffe wie zum Beispiel Aromen erlaubt. Zudem sei eine gentechnische Verunreinigung, wie sie etwa die Nähe zu Feldern genetisch veränderter Pflanzen verursachen kann, bei Bio-Produkten mit diesem Label bis zu einer Toleranzgrenze von 0,9 Prozent erlaubt. Fakt ist, dass zahlreiche weitere Öko-Label die Kriterien des EU-Öko-Labels weit übertreffen – vor allem in puncto Tierwohl.
Einhaltung wird kontrolliert
Produzenten, die das Bio-Siegel der EU verwenden möchten, müssen einer jährlichen Überprüfung durch staatlich anerkannte Kontrollstellen zustimmen. Dabei wird der gesamte Betrieb unter die Lupe genommen. Auch unangemeldete Besuche sind möglich. Für die Prüfer ist auch die Buchhaltung relevant, denn durch Belege lässt sich sehr genau nachvollziehen, wann was und von wem gekauft und verarbeitet wurde. Nur Hersteller, die sich registrieren und den Kontrollen unterziehen, dürfen das Siegel für ihre Produkte verwenden. Eine unrechtmässige Nutzung des Siegels wird mit hohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafe geahndet. Wer bei der Kontrolle beanstandet wird, muss mit Entzug der Zulassung rechnen.
Deutsches Bio-Siegel
Das deutsche Bio-Siegel ist im Grunde der Vorläufer des EU-Bio-Siegels. Es wurde bereits 2001 entwickelt. Schon damals gab es in der EU Verhandlungen über ein gemeinsames Bio-Label, mangels Einigung der internationalen Abgeordneten brachte Deutschland zunächst ein eigenes Label heraus. Auch für dieses Label ist die Grundlage die EG-Öko-Verordnung, die Kriterien von EU- und Deutschem Label sind also die gleichen.
Bio-Siegel von Anbauverbänden
Zahlreiche Anbauverbände vergeben eigene Bio-Siegel, die ihren Mitgliedern in der Regel viel strengere Vorschriften auferlegen, als sie durch die EG-Öko-Verordnung (EU-Bio-Siegel) erfüllt sein müssen. Im Gegensatz zum EU-Label ist bei ihnen in der Regel der Betrieb zu 100 Prozent biologisch-dynamisch, eine Misch-Produktion, also gleichzeitige Herstellung von konventionellen und Bio-Lebensmitteln ist nicht erlaubt. Auch Gentechnik findet sich in Betrieben, die Mitglied von Bio-Anbauverbänden sind, nicht. Im Gegensatz zu den Vorschriften der EG-Öko-Verordnung ist selbst eine genetische Verunreinigung nicht gestattet. Das gilt auch für den Anbau von Futtermitteln.
Wer Wert auf das Tierwohl legt, ist mit einem Bio-Siegel von Demeter, Naturland, Bioland und Co. ebenfalls besser bedient: Sie haben eine engere Obergrenze der maximal zulässigen gehaltenen Tiere pro Hektar und oftmals auch artgerechtere Konzepte, was den Auslauf betrifft. Zum Vergleich: Während Bioland beispielsweise maximal 140 Legehennen pro Hektar erlaubt, sind nach EU-Bio-Siegel bereits 230 Tiere zulässig. Auch die Transportwege zum Schlachthof sind bei Bioland, Naturland und Demeter auf maximal 4 Stunden oder 200 Kilometer begrenzt. Bioland und Demeter setzen darüber hinaus auf Kreislaufwirtschaft. So ist bei Demeter etwa die Tierhaltung im Betrieb obligatorisch, schliesslich werden so ökologische Düngemittel gleich selbst hergestellt. Übrigens kann sich Demeter auch beim Tierwohl sehen lassen, denn als einziges Bio-Siegel ist hier die Enthornung von Rindern grundsätzlich nicht erlaubt.
Demeter
Demeter-Produkte entstehen in biologisch-dynamischer Landwirtschaft. Anbau und Verarbeitung richten sich nach der anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner und werden ganzheitlich betrachtet. Sowohl Erde als auch die Demeter-Betriebe werden als lebende Organismen verstanden. Die Nachhaltigkeit spielt bei Demeter eine grosse Rolle: Die Förderung und Erhaltung des Bodens beziehungsweise der Humusschicht ist ein wesentlicher Bestandteil der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Demeter-Landwirte und -Hersteller gibt es in über 50 Ländern weltweit. In Deutschland arbeiten etwa 1.500 Betriebe nach den Demeter-Richtlinien.
Im Gegensatz zur EG-Öko-Verordnung muss bei Demeter-Betrieben der gesamte Betrieb auf biologisch-dynamisch umgestellt werden. Das Futter muss nicht nur zu 100 Prozent Bio sein, zwei Drittel davon sogar Demeter, mindestens die Hälfte davon sollte auch vom eigenen Hof stammen. Die Naturheilkunde spielt hier ebenfalls eine Rolle, denn statt künstlicher Präparate sollten solche aus Kräutern und Mineralien verwendet werden – übrigens auch für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.
Die meisten Zusatzstoffe sind nicht gestattet, auch das zum Beispiel häufig verwendete und beim EU-Label erlaubte Nitritpökelsalz. Auch die Bio-Siegel Bioland und Gäa erlauben kein Nitritpökelsalz in der Wurst. Zwar ist beim Demeter-Siegel Tierhaltung obligatorisch (um zum Beispiel Kuhmist für die Düngung von Feldern zu verwenden), aber Tierfreunde freuen sich besonders über das Verbot der Enthornung von Rindern. Kontrolliert wird die Einhaltung der Kriterien einmal im Jahr. Darüber hinaus findet ebenfalls einmal jährlich ein Betriebsentwicklungsgespräch unter Kollegen statt, bei dem Chancen, Probleme und Lösungsansätze für den jeweiligen Betrieb erörtert werden.
Bioland
Über 7.300 deutsche Betriebe produzieren nach den Bioland- Kriterien. Der Verband sieht sich selbst als „Wertegemeinschaft zum Wohl von Mensch und Umwelt“. Dazu kommen zahlreiche Handels- und Herstellungspartner (Bäckereien, Gastronomie, Metzgereien, Molkereien) sowie Kooperationspartner (zum Beispiel Hotels). Allein von 2017 bis 2018 ist der Bioland e.V. um 13 Prozent gewachsen.
Die Richtlinien fussen auf den „sieben Bioland-Prinzipien für die Landwirtschaft der Zukunft “:
- Im Kreislauf wirtschaften
- Bodenfruchtbarkeit fördern
- Tiere artgerecht halten
- Wertvolle Lebensmittel erzeugen
- Biologische Vielfalt fördern
- Natürliche Lebensgrundlangen bewahren
- Menschen eine lebenswerte Zukunft sichern
Wie Demeter und andere Bio-Siegel müssen auch Bioland-Betriebe zu 100 Prozent biologisch sein. Die Zahl der Legehennen darf 140 pro Hektar nicht übersteigen (zum Vergleich: 230 sind laut EG-Öko-Verordnung = EU-Bio-Siegel erlaubt). Auch Fischmehl darf im Gegensatz zum EU-Bio-Label bei Bioland und anderen Bio-Siegeln als Futtermittel nicht verwendet werden. Insgesamt sind 24 Zusatzstoffe in verarbeiteten Produkten erlaubt.
Bioland-Betriebe werden mindestens einmal jährlich durch unabhängige Kontrollstellen besucht. Das Bioland-Label wird auch jeweils nur für ein Jahr vergeben. Über das Jahr hinweg werden alle Massnahmen vom Betrieb dokumentiert.
Naturland
Naturland ist ein ökologischer Landbauverband mit international über 54.000 Mitgliedern. Wie Demeter und Bioland zählt Naturland zu den Verbänden mit den strengeren Vorgaben hinsichtlich Tierhaltung, Futtermittel (mindestens 50 Prozent müssen vom eigenen Hof stammen), gesamtbetrieblicher Umstellung auf Bio und rein ökologischer Düngung.
Es gibt auch Naturland-Richtlinien zur ökologischen Fischzucht und zum Waldbau. Neben den ökologischen Vereinbarungen verpflichten sich Betriebe, die ein Bio-Siegel von Naturland erhalten möchten, auch zur Übernahme sozialer Verantwortung und zum nachhaltigen Wirtschaften. Trotz internationaler Ausrichtung liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz regionaler Märkte. Die Richtlinien von Naturland basieren auf den Grundwerten:
- Ökologisch
- Zukunftsweisend
- Fair
Bio-Label in der Schweiz
Das wohl bekannteste Zertifikat in der Schweiz ist die „Knospe“, das Bio-Label „Bio Suisse“. Über 80 Prozent der Betriebe, die dieses Label tragen dürfen, stammen aus der Schweiz. Mit über 6.000 Betrieben ist Bio Suisse die grösste Organisation biologischer Landwirtschafts- und Gartenbaubetriebe in der Schweiz. Unterschieden werden drei verschiedene Bio-Siegel:
- Bio Suisse Knospe: Mindestens 90 Prozent der Bestandteile eines Produkts stammen aus der Schweiz.
- Bio Knospe: Mehr als 10 Prozent der Produktbestandteile stammen aus dem Ausland, wurden aber nach den gleichen Bedingungen produziert wie solche aus heimischen Betrieben.
- Umstellungs-Knospe: Erzeugnisse, die sich in einer 2-jährigen Umstellungsphase von konventionellem auf biologischen Landbau befinden.
Die strengen Kriterien von Bio Suisse beinhalten unter anderem den vollständigen Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger mit ausschliesslicher Verwendung von Kuhmist und Kompost zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Tiere müssen ausreichend Auslauf und genügend Platz haben, es wird zudem nur Bio-Futter gefüttert. Auch in puncto Nachhaltigkeit und Umweltschutz kann sich Bio Suisse sehen lassen: So dürfen importierte Produkte nicht via Flugzeug in die Schweiz kommen. Zudem sind keine Aroma- und Farbstoffe erlaubt.
Bio-Label in Österreich
In Österreich gilt genau wie in den anderen Ländern der EU die EG-Öko-Verordnung. Im Verband BIO AUSTRIA haben sich darüber hinaus knapp zwei Drittel der österreichischen Bio-Bauern zusammengeschlossen. Die Richtlinien von BIO AUSTRIA sind strenger als die des EU-Bio-Siegels und stellen Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Österreichische Betriebe, die dieses Bio-Siegel verwenden möchten, orientieren sich an vier Prinzipien:
- Ökologie
- Würde der Tiere
- Fairness
- Verantwortung
Der Kreislauf der Landwirtschaft und damit Tierhaltung ist ebenfalls obligatorisch. An diese sind strenge Anforderungen hinsichtlich Auslauf, Liegeflächen und Höchstbestand geknüpft. Bei BIO AUSTRIA sind darüber hinaus die Weidehaltung für Rinder sowie die Aufzucht der Bruderhähne verpflichtend. Futtermittel soll selbst hergestellt werden und nur in Ausnahmen genehmigungspflichtig importiert werden.
Heisst Bio-Fleisch auch gleich artgerechte Tierhaltung?
Obwohl die Lebensbedingungen für Tiere in Bio-Betrieben besser sind als in konventioneller Haltung, sind sie nicht automatisch artgerecht. Manche Verbände legen aber mehr Wert auf das Tierwohl. Wenn es nicht unbedingt Bio sein muss, kann man sich deshalb auch an tierischen Lebensmitteln aus Verbänden orientieren, die für eine artgerechte Tierhaltung stehen. Bei solchen Labeln steht eine Bio-Fütterung aber oft nicht an erster Stelle. Konventionell gedüngte Futtermittel sind meist trotzdem erlaubt. Dafür setzen viele Betriebe aber auf regionale Futtermittel und der Einsatz von Antibiotika ist ebenfalls häufig nur in Ausnahmefällen gestattet.
Bekannte Label sind in Deutschland Neuland sowie die „Für mehr Tierschutz“-Label des Deutschen Tierschutzbundes, die es sowohl mit einem Stern (Einstiegsstufe) als auch mit zwei Sternen (Premiumstufe) gibt. Geflügelfleisch und Eier aus französischer Freiland- beziehungsweise bäuerlicher Haltung erhält man von Betrieben mit den Labeln „Nature & Respect“ und „Label Rouge“.
Bio-Eigenmarken
Wer sicher sein möchte, keine Produkte aus Gentechnik-Anbau auf den Tisch zu bekommen, kann beim Kauf auf das neue Siegel „Ohne Gentechnik“ achten. Das gilt allerdings nur für pflanzliche Lebensmittel: Diese müssen zu hundert Prozent gentechnikfrei sein. Für tierische Lebensmittel gilt das nicht. Hier darf, wie beim Bio-Siegel der EU, bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verunreinigtes (zum Beispiel durch Nachbarfelder) Futtermittel gegeben werden. Mehr noch: Diese Vorschrift gilt nur innerhalb bestimmter Fristen. Für Milchprodukte, die das Ohne-Gentechnik-Siegel tragen dürfen, muss zum Beispiel nur drei Monate vor dem Melken auf gentechnisch verändertes Futtermittel verzichtet werden. Besser fährt man also mit dem klassischen Bio-Siegel der EU.
Ohne-Gentechnik-Siegel
Wer sicher sein möchte, keine Produkte aus Gentechnik-Anbau auf den Tisch zu bekommen, kann beim Kauf auf das neue Siegel „Ohne Gentechnik“ achten. Das gilt allerdings nur für pflanzliche Lebensmittel: Diese müssen zu hundert Prozent gentechnikfrei sein. Für tierische Lebensmittel gilt das nicht. Hier darf, wie beim Bio-Siegel der EU, bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verunreinigtes (zum Beispiel durch Nachbarfelder) Futtermittel gegeben werden. Mehr noch: Diese Vorschrift gilt nur innerhalb bestimmter Fristen. Für Milchprodukte, die das Ohne-Gentechnik-Siegel tragen dürfen, muss zum Beispiel nur drei Monate vor dem Melken auf gentechnisch verändertes Futtermittel verzichtet werden. Besser fährt man also mit dem klassischen Bio-Siegel der EU.