Die innere Uhr bestimmt den Takt
Unsere innere Uhr besteht aus vielen kleinen Prozessen, die im Laufe des Tages – und in der Nacht – auf uns einwirken, unser Verhalten, den Stoffwechsel, die Körpertemperatur und unseren Schlaf-Wach-Rhythmus regulieren. Sie passt sich dabei den verschiedenen Phasen des Tages an, steht aber auch in Wechselwirkung zu unseren Aktivitäten, der Ernährung, An- oder Entspannung. So hat etwa die Auswahl unserer Lebensmittel und der Zeitpunkt, an dem wir diese zu uns nehmen, einen Einfluss auf unsere innere Uhr und umgekehrt.
Den grössten Einfluss auf die innere Uhr haben aber Tag und Nacht. Unser Schlaf-Wach-Rhythmus muss sich täglich neu einstellen, denn im Gegensatz zum offiziellen 24-Stunden-Tag dauert der Tag unserer inneren Uhr etwas länger. Fehlen äussere Zeitgeber wie Helligkeit und Dunkelheit oder der Wecker, richtet sich unser Schlaf-Wach-Rhythmus Studien zufolge wieder ganz nach unserer inneren Uhr aus.
Unsere innere Uhr ist genetisch festgelegt
Wie bedeutend Erkenntnisse rund um die innere Uhr sind, wurde bei der Vergabe des Nobelpreises im Jahr 2017 mehr als deutlich: Den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten nämlich Chronobiologen für ihre Entdeckung, wie der Biorhythmus von Fruchtfliegen auf molekularer Ebene gesteuert wird. Diese Entdeckung ist auf den Menschen übertragbar, denn die grundlegenden Mechanismen sind die gleichen.
Wir alle werden von unserer inneren Uhr gesteuert und das kann auch bedeutende Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gesundheit haben. Zum Beispiel entwickelten Forscher an der Berliner Charité einen Bluttest, mit dem sich der individuelle Chronotyp ziemlich genau feststellen lässt. Die Forscher versprechen sich durch diesen Test Vorteile bei der Gesundheitsversorgung, da Therapien besser an die jeweilige innere Uhr des Menschen angepasst werden könnten. So zeigten Studien in der Vergangenheit, dass Wirkstoffe unterschiedlich wirken – je nachdem, zu welcher Tageszeit und von welchem Chronotyp sie eingenommen werden.
Sind Sie Eule oder Lerche?
Hüpfen Sie morgens fit aus den Federn und können es kaum erwarten, bis Sie mit Ihrem Tagwerk loslegen können? Dann gehören Sie möglicherweise zum Chronotyp der «Lerche». Wenn Sie morgens dagegen eher schwer aus dem Bett kommen und abends noch lange fit sind, sind Sie wahrscheinlich eine «Eule». Dann gibt es noch den «Mischtypen», der weder das frühe Aufstehen noch das lange Aufbleiben so wirklich präferiert. Er hat es wohl am leichtesten, denn er ist anpassungsfähiger als seine beiden tierischen Biorhythmus-Typen-Kollegen.
Unser genetisch festgelegter Biorhythmus kann sich aber auch im Laufe des Lebens verändern. Während jüngere Kinder in der Regel zum Typ Lerche gehören – frisch gebackene Eltern können ein Lied davon singen –, verschiebt sich die innere Uhr in der Pubertät eher zum Typ Eule. Jugendliche sind daher oft abends lieber länger wach und stehen lieber später auf. Mit zunehmendem Alter entwickeln wir uns tendenziell wieder zum Frühaufsteher.
Biorhythmus: Alles zu seiner Zeit
In einer perfekten Welt gelänge es uns, ganz im Einklang mit unserer inneren Uhr zu leben. Doch die Realität sieht anders aus: Schichtarbeit bringt unseren Biorhythmus völlig durcheinander, Frühaufsteher müssen lange arbeiten, Langschläfer viel zu früh aufstehen. So belegen beispielsweise zahlreiche Studien, wie sehr Jugendliche unter dem frühen Schulbeginn leiden. Zahlreiche Initiativen in Deutschland fordern schon lange einen Schulbeginn um 9 Uhr. Und die Wissenschaft gibt ihnen Recht: Nachdem Mittel- und Oberschulen in der amerikanischen Stadt Seattle den Schulbeginn um 55 Minuten von 7:50 auf 8:45 Uhr nach hinten verschoben hatten, verbesserte sich die Schlafqualität der Jugendlichen deutlich. Sie schliefen durchschnittlich länger und waren morgens fitter. Immer mehr Forscher plädieren für einen späteren Schulbeginn.
Ihr eigener, ganz individueller Biorhythmus wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach von denen anderer Menschen unterscheiden. Wenn Sie Ihre Leistung und Ihr Wohlbefinden steigern möchten, indem Sie Ihren Biorhythmus berücksichtigen, nützt es deshalb auch nichts, nach «Schema F» vorzugehen. Beobachten Sie sich und Ihre Tagesform lieber selbst. Viele Menschen machen instinktiv schon vieles richtig, indem Sie sich zum Beispiel in ihrem täglichen «Nachmittagstief» nicht mit komplizierten Aufgaben belasten. Manche versuchen, Zeiten mit wenig Energie mit viel Koffein entgegenzuwirken. Langfristig hat das aber keinen Erfolg. Schauen Sie lieber, wann Sie Ihr Leistungshoch haben und seien Sie im Leistungstief gnädig mit sich.
Was Zeitumstellung mit uns macht
Sind Sie schon mal in eine andere Zeitzone gereist und hatten einen sogenannten Jetlag? Dann kennen Sie das Gefühl, wenn Ihr gewohnter Schlaf-Wach-Rhythmus aus dem Takt gekommen ist. Zum Glück sind wir anpassungsfähig und anderswo gibt es ja auch den Tag und die Nacht – nach wenigen Tagen haben wir uns angepasst. Doch wenn die Winter- auf die Sommerzeit umgestellt wird oder umgekehrt, reisen wir nicht gen Ost oder West. Wir müssen unseren gesamten Tagesablauf um eine Stunde vor oder zurück verschieben. Kritiker monieren, dass wir uns nach der Umstellung von Winter- auf Sommerzeit aber nicht wie bei einem Jetlag innerhalb weniger Tage automatisch anpassen. Vielmehr halte der «Jetlag» über den gesamten Sommer an, bis wieder auf Winterzeit umgestellt werde. Die Winterzeit sei am ehesten mit unserem Biorhythmus kompatibel.
Winter- versus Sommerzeit
Im vergangenen Jahr stimmten Millionen EU-Bürger im Internet positiv über die Abschaffung der Zeitumstellung ab. Doch was soll jetzt eigentlich abgeschafft werden? Sommer- oder Winterzeit? Während sich viele Menschen auf eine dauerhafte Sommerzeit freuen – schliesslich bleibe es da im Sommer länger hell und man könne die warmen Tage dadurch länger geniessen –, plädieren Experten für eine dauerhafte Winterzeit, da diese unserem Biorhythmus am ehesten entspreche. Dem stimmen die Wissenschaft der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) zu: Eine dauerhafte Sommerzeit führe zu Schlafmangel und demzufolge zu verminderter Konzentrations- und Leistungsfähigkeit – und das anders als beim vorübergehenden Jetlag dauerhaft. In der Folge könnten viele Menschen in der Sommerzeit abends nicht einschlafen und kämen morgens nicht gut aus dem Bett – sie sind noch im Tag- bzw. Nachtmodus.
Leben entgegen der inneren Uhr macht krank
Ein dauerhaftes Leben entgegen unserer inneren Uhr, unseres Biorhythmus, ist nicht nur anstrengend, sondern kann auch zu einer kürzeren Lebenserwartung führen. So fanden britische Forscher heraus, dass Langschläfer im Vergleich zu Frühaufstehern ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung zahlreicher Erkrankungen wie Diabetes, Atemwegserkrankungen, neurologische- und Magen-Darm-Erkrankungen haben und im Vergleich früher sterben. Die Forscher führen das auf die Diskrepanz zwischen innerer und äusserer Uhr, also dem, was die Gesellschaft vorschreibt wie ein früher Arbeitsbeginn, und unserem individuellen Biorhythmus zurück.
Welcher Chronotyp sind Sie? Das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund hat einen kostenlosen Online-Test entwickelt, mit dem Sie Ihren Chronotyp ermitteln können. Hier erfahren Sie mehr darüber: https://www.ifado.de/chronotype-study/ .